Kirchenvisitationen Bistum Roermond
I. Zielsetzung und Organisation des Projekts
Im Oktober 2008 lancierte das Bistum Roermond in Zusammenarbeit mit dem Regional Historisch Centrum Limburg in Maastricht das Projekt Kirchenvisitationen. Dieses Projekt beinhaltet die Transkription und Übersetzung der Kirchenvisitationsprotokolle des alten Bistums Roermond (1559-1801). Die Zahl derer, die in der Lage sind, lateinische Texte zu verstehen, wird immer geringer, und vielen Interessierten würden die Informationen dieser wichtigen historischen Quelle ansonsten vorenthalten bleiben. In einem früheren Stadium wurden diese Visitationsberichte im Rahmen des Erhaltungsprojekts Metamorfoze konserviert, mikroverfilmt und digitalisiert. Die digitale Version der Original-Berichte sowie die vorläufige Version ihrer Transkriptionen und Übersetzungen sind inzwischen im Internet einsehbar.
Die digitale Version der Original-Berichte sowie ihre Transkriptionen und Übersetzungen >>
1. Variante Roermond
Angefangen wurde mit der sogenannten Variante Roermond, das heißt, mit den circa 1.100 Visitationsberichten, die sich auf diejenigen Pfarrgemeinden beziehen, die zum heutigen Bistum Roermond gehören. Dessen Gebietsgrenzen sind identisch mit denen der niederländischen Provinz Limburg. Die Herren Guus Janssen und Jo Jamar, beide Altphilologe und Historiker, übernahmen in erster Instanz die Transkriptions- und Übersetzungsarbeiten. Die hierfür benötigten finanziellen Mittel wurden vom Bistum Roermond, dem Skanfonds (Stichting Katholieke Noden), der BV Limburg und den limburgischen Archivdiensten zusammengebracht. Geplant war, dieses Teilprojekt Ende 2010 abzuschließen, aber leider verstarb Jo Jamar nach schwerer Krankheit im März 2010 und so war dieses Ziel nicht realisierbar. Mit Einverständnis der subventionierenden Parteien wurde die Laufzeit dieses Teils des Projekts um ein Jahr verlängert. Seit dem 1. Januar 2012 steht die erste, vorläufige Version der Transkriptionen und Übersetzungen der Variante Roermond im Internet.
2. Variante Deutschland
Im Januar 2010 bat der Landschaftsverband Rheinland uns, auch die Transkription und Übersetzung ins Deutsche der circa 500 Visitationsberichte zu übernehmen, die sich auf die Pfarrgemeinden beziehen, die zum heutigen Zeitpunkt unter die Bistümer Münster und Aachen fallen. Der Landschaftsverband Rheinland sorgte zusammen mit diesen Bistümern für die Finanzierung dieses Projektabschnitts. Auch die erste vorläufige Version der Transkriptionen und Übersetzungen der Variante Deutschland war seit dem 1. Januar 2012 im Internet einsehbar.
3. Variante Den Bosch
Ende Oktober 2013 waren auch die Transkriptionen und Übersetzungen der circa 100 Visitations-berichte von Pfarrgemeinden fertig, die zum heutigen Zeitpunkt zum Bistum 's-Hertogenbosch gehören. Die Finanzmittel für diese Arbeiten wurden vom Bistum 's-Hertogenbosch und der Stiftung (nach niederländischem Recht) Dr. P.G.M.J. Janssens, Maastricht, zur Verfügung gestellt.
4. Zusammensetzung Arbeitsgruppe
Um der oben genannten Bitte des Landschaftsverbands Rheinland entsprechen sowie auch um das bereits laufende Teilprojekt (Variante Roermond) erfolgreich abschließen zu können, war- sicherlich nach dem Tod von Jo Jamar - eine Erweiterung der bestehenden Arbeitsgruppe erforderlich. Außer Guus Janssen sind seit April 2010 auch Kees Schutgens, Jan Welzen, Bas Cretskens, Ruud Mestrom, Paul Mols und Annastina Kaffarnik am Projekt beteiligt. Projektkoordinator ist Mart Bohnen, der Archivar des Bistums Roermond. Bis zu seinem Tod im Jahr 2012 gehörte auch Peter Stenmans dieser Arbeitsgruppe an.
5. Benutzung der Transkriptionen und Übersetzungen
Im Rechenschaftsbericht (s. gesonderte Registerkarte) wird unter Anderem auf die Funktion der Originalquelle und auf die Richtlinien eingegangen, an die sich die Arbeitsgruppe bei der Transkription und Übersetzung des Basistextes gehalten hat. Die Anleitung (s. gesonderte Registerkarte) enthält Hinweise darüber, wie die Transkription, die Übersetzung und die dazugehörigen Scans der Originalquelle eingesehen werden können und wie Ergänzungen und Vorschläge zur jetzt vorliegenden Textausgabe weitergegeben werden können.
II. Kirchenvisitationen in historischer Perspektive
Als im Jahre 1559 das Bistum Roermond im Rahmen der Gründung neuer Bistümer in den Niederlanden ("Lage Landen") entstand, musste es natürlich ein Bistum nach tridentinischem Modell werden. Gemäß den Richtlinien des Konzils von Trient (1545-1563) musste die Zentralherrschaft des Bischofs wiederhergestellt werden und die Inspektion (Visitation) war hierzu ein geeignetes Mittel. Das griechische Wort episkopos bedeutet ursprünglich auch: Aufsichtsführender, Aufseher.
Von Anfang an besuchten die Roermonder Bischöfe - beginnend mit Lindanus - intensiv die ihnen anvertrauten Pfarrgemeinden, insoweit die staatskundliche Situation dies zuließen. Normalerweise wurde eine solche Visitation auch mit dem Spenden des Sakraments der Firmung kombiniert.Informationen über den Ablauf solcher Visitationen ergeben sich aus einigen Visitationsberichten selbst, aber auch aus Aufzeichnungen in den Acta Episcopatus, die seit 1665 erhalten sind.Bei der Visitation unterscheidet man diverse Aspekte, die mit zu berücksichtigen sind, wenn man den Visitationsbericht als Quelle benutzen will.
1. Die Person des Visitators
Die Visitation konnte vom Bischof selbst bzw., im Falle der Sedisvakanz,, vom Kapitelvikar durchgeführt werden. So hat insbesondere Generalvikar Van Oeveren - in seiner Funktion als Kapitelvikar - diverse Visitationen übernommen. Darüber hinaus konnte auch der Landdekan Visitationen abstatten. Von dieser Art Visitationen blieben nur einige wenige Berichte erhalten. Es gilt zu bedenken, dass der Landdekan im alltäglichen Leben seinen Pfarrerkollegen näher stand und es ihm daher eher möglich war, die Ergebnisse der Visitation auf deren Richtigkeit zu überprüfen.
2. Die Visitationsreisen
Der Bischof bzw. Generalvikar hatte dazu mehrere Möglichkeiten. Er konnte eine Rundreise machen und war dann länger unterwegs. In nahegelegenen Dekanaten konnte er auch von Roermond aus operieren, indem er mehrere Pfarrgemeinden an einem Tag besuchte. In bestimmten, aufgrund der politischen Lage nicht zugänglichen Gebieten konnte er auch die Pfarrer in eine nahegelegene Pfarrgemeinde bestellen, in der die Visitation möglich war. Die Pfarrer erstatteten dann Bericht über den Zustand ihrer Pfarrgemeinde (Relatio) und es fand keine Inaugenscheinnahme durch den Bischof statt.
3. Einteilung der Visitationsberichte in Sorten
Bei den Berichten ist zu unterscheiden zwischen der Registrierung dessen, was der Visitator mit eigenen Augen wahrgenommen hat, der vorgenannten Relatio(Berichterstattung) sowie dem Reskript. Bei einem Reskript handelt es sich um ein vom Pfarrer oder Rektor ausgefülltes Formular, das bei der Visitation überreicht oder nach Roermond geschickt wurde. Darüber hinaus können noch Mandata und Beilagen beigefügt sein. Mandata sind Verordnungen des Visitators aufgrund der Visitation; Beilagen können sein: Inventarlisten, Rechnungen, Übersichten von Jahrgedächtnismessen und Immobilien (Ländereien). Im Gegensatz zu den übrigen Dokumenten wurden diese Beilagen in der Regel in der Landessprache verfasst. Diese Beilagen sind in den Scans der Originalquellen zu ersehen.
4. Inhalt der Visitationsberichte
Die Visitationsberichte beleuchten das kirchliche Leben an der Basis und die Art und Weise, in der der Bischof hierauf Einfluss zu nehmen versuchte. In der Regel geht es unter anderem um Angaben zum Kirchengebäude und dessen Einrichtung, die Amtsausübung und das Verhalten des Klerus, der Pfarrgemeinderatsmitglieder, des Küsters und des Lehrers sowie um das religiöse und sittliche Leben der Pfarrangehörigen. Darüber hinaus liefert diese Quelle auch Informationen für andere Gebiete der Wissenschaft und Forschung, wie z. B. Demographie, Genealogie, Bildungswesen, Wohlfahrtspflege, Kunstgeschichte, Volkskultur und die lokale Obrigkeit. Der Archivar und Historiker Jos. Habets wies schon vor fast 125 Jahren auf die große kulturhistorische Bedeutung der Visitationsberichte (Habets, Geschiedenis bisdom Roermond, III, 1892, 138). Aus dem ersten Jahrhundert Bistumsgeschichte sind infolge des Stadtbrands im Jahre 1665 leider so gut wie keine Visitationsberichte erhalten geblieben.